Vor 140 Jahren
Nachdem man 1871 die baufällige alte Bischofs-kirche am südlichen Ortsrand Biskirchens abgebrochen hatte, stiftete der zwischen 1853 und 1881 im Kirchspiel Biskirchen wirkende Pfarrer Karl Wetz (*1821 in Biskirchen, †1894 in Braunfels), der mit seiner Frau Ida geb. Schröder (*1834 in Köln, †1895 in Braunfels) seinen wohlverdienten Ruhestand in Braunfels verbrachte, zur Erinnerung an die alte Kirche ein Denkmal, das inzwischen auf eine 140-jährige Geschichte zurückblicken kann.
Im Frühling des Jahres 1884 unterbreitete Pfarrer Wetz Herrn Bürgermeister Kleine von der für uns zuständigen Amtsbürgermeisterei Greifenstein (Verwaltungssitz in Ulm) seine besondere Idee.
Dazu heißt es im Protokollbuch der Gemeinde Biskirchen am 17. Mai 1884 wörtlich: „Der Bürgermeister gab dem Gemeinderath Kenntnis von dem Schreiben des Herrn Pfarrer Wetz in Braunfels, betr. seines Vorhabens, auf dem alten Kirchhofe ein Denkmal zu errichten. Der Gemeinderath erklärt sich dankbar bereit, für den projectirten Denkstein den Platz vorzubereiten und auch später mit einer Umzäunung von Steinen und Eisen (Ketten od. dgl.) zu versehen.”
Das genaue Datum der Denkmalweihe kann man der „Chronik der Bürgermeisterei Greifenstein 1843–1934” (Publikation der Abschrift von Steffen Watz, herausgegeben vom Heimat- und Geschichtsverein Allendorf) entnehmen. Dort heißt es: „Am 19. Oktober 1884 wurde in Biskirchen, auf der Stelle des alten Kirchhofs, an welchem die alte Kirche gestanden hatte, ein Denkmal errichtet. Dem Pfarrer Wetz zu Braunfels, der selbiges aus Collektengeldern bezahlte, gebührt Dank dafür.”
Für die Weihe des Denkmals „Bischofskirche”, einem Sandstein-Obelisk, terminierte man damals das symbolträchtige Kirmeswochenende um den offiziellen Kirchweihtag, den 18. Oktober. Vor genau 140 Jahren fiel der Kirmes-sonntag auf den 19. Oktober, entsprechend der überlieferten Regeln der Terminierung.
So könnte der Ablauf der Denkmalweihe am Kirmessonntag, dem 19. Oktober 1884, gewesen sein: Wir dürfen davon ausgehen, dass es aus diesem Anlass zunächst einen Festakt in der neuen Pfarrkirche (erbaut 1868–1870) gab, wobei der im Ruhestand befindliche Pfarrer Wetz die große Ehre hatte, den Festgottesdienst zu halten. Dann wurden Jung und Alt in einem festlichen Umzug von der neuen Kirche zum Standort der alten Kirche gepilgert, wo die „Jungfrauen” des Dorfes das Denkmal im einstigen Altarbereich der abgebrochenen Bischofs-kirche enthüllten. Schulkinder des gesamten Kirchspiels mit ihren Lehrkräften sowie Konfirmandinnen und Konfirmanden haben mit Gedicht- und Liedvorträgen zur würdevollen Feierstunde beigetragen.
Auch der Männergesangverein „Borussia” dürfte die Denkmalweihe mit passendem Chorgesang begleitet und die Veteranen des Kriegervereins dem damaligen Zeitgeist entsprechend mit einem Böllerschießen bereichert haben. Danach feierten die Burschen und Mädchen des Pfarrortes Biskirchen und der Filialgemeinde Stockhausen jeweils ihre traditionelle Kirmes in der dörflichen Gastronomie.
So lud der Biskirchener Gastwirt Peter Neuhof per Annonce im Wetzlarer Anzeiger für den 19. und 20. Oktober zur Kirchweihe in seine „Localität” (Zur grünen Au/Auweg 20) zu „Tanz und Concert” mit der „Gießener Stadtkapelle unter der Leitung des Herrn Kapellmeisters Kämmerer” ein. In Stockhausen feierte man in der „Restauration Heil” (späteres Gasthaus Arabin, Bahnhofstraße 7) an beiden Tagen das „Kirchweihfest” mit „Tanzbelustigung” ab vier Uhr nachmittags, wozu der Gastwirt Carl Heil ebenfalls per Zeitungsinserat eingeladen hatte.
Soweit zur Rekonstruktion der Feierlichkeiten rund um die Denkmalweihe und der Kirmes vor 140 Jahren.
Der Sandstein-Obelisk trägt folgende Inschriften: „Hier stand die 1871 abgebrochene alte Kirche ecclesia episcopiensis Bischofskirche, davon der Name Biskirchen”. Eine weitere, leider nicht mehr erhaltene Inschrift (vermutlich auf einer Tafel) lautete: „Darum soll dir’s sein ein Denkmal vor deinen Augen. 2. Mos. 13, 9.” Auf der Rückseite des Denkmalsockels ist zu lesen: „Von Pfarrer Wetz errichtet 1884.”
Im Zuge der 1937 begonnenen und 1946–1948 fortgesetzten Straßenbauarbeiten zur neuen Ortsumgehung (L3020) wurden die zuvor archäologisch untersuchten Grundmauern der alten Kirche und der ursprüngliche Standort des Denkmals überbaut. So verlegte man die Erinnerungsstätte 1952 an ihren heutigen Standort zwischen Radweg R7 und der Lahntalbahnlinie, direkt an einem verbliebenen Reststück der alten Friedhofsmauer.
Die etwas verwahrloste Gedenkstätte wurde in den Jahren 1978/79 vom Gemeinschaftskreis in ehrenamtlicher Arbeit neu hergerichtet und die alte Friedhofsmauer ausgebessert. Im Zuge der Sanierung entstand auch ein Lapidarium mit alten Grenz- und Zehntsteinen sowie Grabsteinfragmenten, dazu entsprechende Erläuterungstafeln. Der Obelisk wurde mit einer bronzenen Plakette mit den wichtigsten Geschichtsdaten ausgestattet und die heute unter Denkmalschutz stehende städtische Anlage nach der Neugestaltung am 23. September 1979 feierlich eingeweiht.
Anfangs vom Kleintierzuchtverein H9 betreut, haben die Heimatkundler seit 1993 die Pflegeaufgaben übernommen und die denkmalgeschützte Anlage erneut umgestaltet. Zu besonderen Tagen fanden auf der Anlage auch vom Heimatkundlichen Arbeitskreis Biskirchen initiierte Baumpflanzungen zu Ehren des Wohltäters und Denkmalstifters Pfarrer Wetz statt.
Matthias Diehl (Biskirchen, den 2. November 2024)