Die Weihe des Denkmals „Bischofskirche”und die Kirmesfeierlichkeiten in Biskirchen und Stockhausen am 19. und 20. Oktober 1884

Vor 140 Jahren

Nach­dem man 1871 die baufäl­lige alte Bischofs-kirche am südlichen Ort­srand Biskirchens abge­brochen hat­te, stiftete der zwis­chen 1853 und 1881 im Kirch­spiel Biskirchen wirk­ende Pfar­rer Karl Wetz (*1821 in Biskirchen, †1894 in Braun­fels), der mit sein­er Frau Ida geb. Schröder (*1834 in Köln, †1895 in Braun­fels) seinen wohlver­di­en­ten Ruh­e­s­tand in Braun­fels ver­brachte, zur Erin­nerung an die alte Kirche ein Denkmal, das inzwis­chen auf eine 140-jährige Geschichte zurück­blick­en kann. 

Im Früh­ling des Jahres 1884 unter­bre­it­ete Pfar­rer Wetz Her­rn Bürg­er­meis­ter Kleine von der für uns zuständi­gen Amts­bürg­er­meis­terei Greifen­stein (Ver­wal­tungssitz in Ulm) seine beson­dere Idee.

Dazu heißt es im Pro­tokoll­buch der Gemeinde Biskirchen am 17. Mai 1884 wörtlich: „Der Bürg­er­meis­ter gab dem Gemein­derath Ken­nt­nis von dem Schreiben des Her­rn Pfar­rer Wetz in Braun­fels, betr. seines Vorhabens, auf dem alten Kirch­hofe ein Denkmal zu erricht­en. Der Gemein­derath erk­lärt sich dankbar bere­it, für den pro­jec­tirten Denkstein den Platz vorzu­bere­it­en und auch später mit ein­er Umzäu­nung von Steinen und Eisen (Ket­ten od. dgl.) zu versehen.” 

Das genaue Datum der Denkmal­wei­he kann man der „Chronik der Bürg­er­meis­terei Greifen­stein 1843–1934” (Pub­lika­tion der Abschrift von Stef­fen Watz, her­aus­gegeben vom Heimat- und Geschichtsvere­in Allen­dorf) ent­nehmen. Dort heißt es: „Am 19. Okto­ber 1884 wurde in Biskirchen, auf der Stelle des alten Kirch­hofs, an welchem die alte Kirche ges­tanden hat­te, ein Denkmal errichtet. Dem Pfar­rer Wetz zu Braun­fels, der sel­biges aus Collek­ten­geldern bezahlte, gebührt Dank dafür.”

Für die Wei­he des Denkmals „Bischof­skirche”, einem Sand­stein-Obelisk, ter­minierte man damals das sym­bol­trächtige Kirmeswoch­enende um den offiziellen Kirch­wei­h­tag, den 18. Okto­ber. Vor genau 140 Jahren fiel der Kirmes-son­ntag auf den 19. Okto­ber, entsprechend der über­liefer­ten Regeln der Terminierung.

So kön­nte der Ablauf der Denkmal­wei­he am Kirmes­son­ntag, dem 19. Okto­ber 1884, gewe­sen sein: Wir dür­fen davon aus­ge­hen, dass es aus diesem Anlass zunächst einen Fes­takt in der neuen Pfar­rkirche (erbaut 1868–1870) gab, wobei der im Ruh­e­s­tand befind­liche Pfar­rer Wetz die große Ehre hat­te, den Fest­gottes­di­enst zu hal­ten. Dann wur­den Jung und Alt in einem fes­tlichen Umzug von der neuen Kirche zum Stan­dort der alten Kirche gepil­gert, wo die „Jungfrauen” des Dor­fes das Denkmal im ein­sti­gen Altar­bere­ich der abge­broch­enen Bischofs-kirche enthüll­ten. Schulkinder des gesamten Kirch­spiels mit ihren Lehrkräften sowie Kon­fir­mandin­nen und Kon­fir­man­den haben mit Gedicht- und Lied­vorträ­gen zur würde­vollen Feier­stunde beigetragen.

Auch der Män­nerge­sangvere­in „Borus­sia” dürfte die Denkmal­wei­he mit passen­dem Chorge­sang begleit­et und die Vet­er­a­nen des Kriegervere­ins dem dama­li­gen Zeit­geist entsprechend mit einem Böller­schießen bere­ichert haben. Danach feierten die Burschen und Mäd­chen des Pfar­rortes Biskirchen und der Fil­ial­ge­meinde Stock­hausen jew­eils ihre tra­di­tionelle Kirmes in der dör­flichen Gastronomie.

So lud der Biskirch­en­er Gast­wirt Peter Neuhof per Annonce im Wet­zlar­er Anzeiger für den 19. und 20. Okto­ber zur Kirch­wei­he in seine „Local­ität” (Zur grü­nen Au/Auweg 20) zu „Tanz und Con­cert” mit der „Gießen­er Stadtkapelle unter der Leitung des Her­rn Kapellmeis­ters Käm­mer­er” ein. In Stock­hausen feierte man in der „Restau­ra­tion Heil” (späteres Gasthaus Ara­bin, Bahn­hof­s­traße 7) an bei­den Tagen das „Kirch­wei­h­fest” mit „Tanz­belus­ti­gung” ab vier Uhr nach­mit­tags, wozu der Gast­wirt Carl Heil eben­falls per Zeitungsin­ser­at ein­ge­laden hatte.

Soweit zur Rekon­struk­tion der Feier­lichkeit­en rund um die Denkmal­wei­he und der Kirmes vor 140 Jahren.

Der Sand­stein-Obelisk trägt fol­gende Inschriften: „Hier stand die 1871 abge­broch­ene alte Kirche eccle­sia epis­copi­en­sis Bischof­skirche, davon der Name Biskirchen”. Eine weit­ere, lei­der nicht mehr erhal­tene Inschrift (ver­mut­lich auf ein­er Tafel) lautete: „Darum soll dir’s sein ein Denkmal vor deinen Augen. 2. Mos. 13, 9.” Auf der Rück­seite des Denkmal­sock­els ist zu lesen: „Von Pfar­rer Wetz errichtet 1884.” 

Im Zuge der 1937 begonnenen und 1946–1948 fort­ge­set­zten Straßen­bauar­beit­en zur neuen Ort­sumge­hung (L3020) wur­den die zuvor archäol­o­gisch unter­sucht­en Grund­mauern der alten Kirche und der ursprüngliche Stan­dort des Denkmals über­baut. So ver­legte man die Erin­nerungsstätte 1952 an ihren heuti­gen Stan­dort zwis­chen Rad­weg R7 und der Lah­n­tal­bahn­lin­ie, direkt an einem verbliebe­nen Rest­stück der alten Friedhofsmauer.

Die etwas ver­wahrloste Gedenkstätte wurde in den Jahren 1978/79 vom Gemein­schaft­skreis in ehre­namtlich­er Arbeit neu herg­erichtet und die alte Fried­hof­s­mauer aus­gebessert. Im Zuge der Sanierung ent­stand auch ein Lap­i­dar­i­um mit alten Grenz- und Zehntsteinen sowie Grab­ste­in­frag­menten, dazu entsprechende Erläuterungstafeln. Der Obelisk wurde mit ein­er bronzenen Plakette mit den wichtig­sten Geschichts­dat­en aus­ges­tat­tet und die heute unter Denkmalschutz ste­hende städtis­che Anlage nach der Neugestal­tung am 23. Sep­tem­ber 1979 feier­lich eingeweiht.

Anfangs vom Klein­tierzuchtvere­in H9 betreut, haben die Heimatkundler seit 1993 die Pflegeauf­gaben über­nom­men und die denkmalgeschützte Anlage erneut umgestal­tet. Zu beson­deren Tagen fan­den auf der Anlage auch vom Heimatkundlichen Arbeit­skreis Biskirchen ini­ti­ierte Baumpflanzun­gen zu Ehren des Wohltäters und Denkmal­s­tifters Pfar­rer Wetz statt. 

Matthias Diehl (Biskirchen, den 2. Novem­ber 2024)

Denkmal­s­tifter Pfar­rer Karl Wetz. Foto: Archiv HAK Biskirchen